Die Verfechter der „geschlechtergerechten Sprache“ sind überzeugt, das Gendersternchen werde uns zu besseren Menschen machen. Ihr wichtigster Leitsatz lautet:
Sprache bestimmt unser Denken und Handeln.
Ist das so? Formt die Sprache das Denken? Der Sprachwissenschaftler Theodor Ickler wundert sich: „Gerade die zweifelhafteste und schwierigste, auch besonders schlecht faßbare These des eigenen Faches scheint für diese fachfremden Menschen überhaupt kein Problem zu sein. Sie beschließen oder halten für ausgemacht, daß es so sei.“
Sicher ist, daß es bis heute keinen Nachweis dafür gibt. Was nicht heißt, daß nicht danach gesucht würde; die amerikanische Kognitionswissenschaftlerin Lera Boroditsky etwa sieht sich im Besitz „wissenschaftlicher Daten, um der Frage nachzugehen“. So berichtet sie vom australischen Volk der Kuuk Thaayorre, das keine Wörter wie links oder rechts benutze, sondern stets die Himmelsrichtung angebe. Man sage etwa „Da ist eine Ameise auf deinem südwestlichen Bein“ oder antworte auf die Frage „Wohin gehst du?“ mit „Weit nach Nordnordost“.
Ich könnte mir Gelegenheiten vorstellen, bei denen auch ein Kuuk Thaayorre vielleicht antworten würde „Ich besuche meine Tante“, will Frau Boroditsky aber gar nicht widersprechen. Ihre Beobachtung legt den Gedanken nahe, daß die Kuuk Thaayorre den Lauf der Sonne, die Windrichtung, geographische Marken etc. intuitiv registrieren, weil dies in ihrer australischen Umgebung lebenswichtig für sie ist. Und es wäre seltsam, wenn sich das nicht in ihrer Sprache niederschlüge.
Bitte – das ist jetzt nur meine laienhafte Vermutung. Die Kognitionswissenschaftlerin kommt zum komplett umgekehrten Schluß: „In fact, people who speak languages like this stay oriented really well.“ Demnach ist es die Sprache der Kuuk Thaayorre, die für ihre Orientierung sorgt und so ihr Überleben sichert. Man fragt sich beunruhigt: gäbe es ihre Sprache nicht – wo ginge in Australien die Sonne auf? Täte sie es überhaupt?
Virch 